Der Hurenpass und was es darüber zu wissen gibt

Das Wichtigste in Kürze:

  • Am 1. Juli 2017 trat das deutsche Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft. Seit 1. November 2017 müssen Sexarbeiterinnen ihre Tätigkeit bei einer “zuständigen Behörde” anmelden.
  • Im Zuge dieser Anmeldung wird der “Hurenpass” ausgestellt. Seine offizielle Bezeichnung lautet “Anmeldebescheinigung”
  • Zweck dieser Bescheinigung ist der Schutz der Sexarbeiterinnen und die Bekämpfung von Kriminalität.
  • Der Hurenpass wird in der Szene äußerst kontrovers diskutiert.

Er war, ist und bleibt ein ganz spezielles Thema: der Hurenpass. In der Szene, aber auch in der Öffentlichkeit (so sie dieses Thema überhaupt mitbekommt), weckt der Begriff sofort Assoziationen. Interessanterweise unterscheiden sich diese deutlich voneinander. Einerseits wird der Hurenpass als Stigmatisierung wahrgenommen – so zumindest die Befürchtungen unter den Sexarbeiterinnen. Andererseits wird die Szene selbst von folgender Fragestellung gespalten: Ist der Hurenpass die Professionalisierung und Anerkennung der Sexarbeit oder eine Diskriminierung und ein Vehikel dafür, die Sexarbeit mit bürokratischen Mitteln so zu verkomplizieren, dass ihre Ausübung für viele Frauen in der Branche nicht mehr möglich ist?

Gesellschaftliche Tabus, Debatten über Rechte und Gesundheit, Datenschutz oder uneinheitliche Regelungen in verschiedenen Bundesländern sind nur einige Beispiele dafür, in welchen Zusammenhängen das Dokument diskutiert wird. Eines ist aber sicher: Der Hurenpass ist ein faszinierendes Brennglas, durch das immer noch in einem offenen Diskurs stehende Punkte unserer Gesellschaft beleuchtet werden.

Was genau ist der Hurenpass?

Rein faktisch betrachtet ist der Hurenpass zuallererst eines: Eine behördliche Anmeldebescheinigung, ein Dokument, das Sexarbeiterinnen (das schließt Escorts ein) in Deutschland gemäß dem Prostituiertenschutzgesetz bei sich tragen müssen. Das Gesetz verpflichtet die Frauen dazu, sich anzumelden und regelmäßig an gesundheitlichen Beratungen teilzunehmen. Die Anmeldebescheinigung dient als Nachweis für die Anmeldung und die erfolgte Beratung. Personen über 21 Jahre müssen den Nachweis alle zwei Jahre erneuern, Personen zwischen 18 und 21 müssen ihn jährlich aktualisieren.

Hinter dem umgangssprachlichen Namen des Passes verbirgt sich der offizielle “Gesundheitsberatungsnachweis”, also ein Dokument, das in der Prostitution tätige Personen in Deutschland auf Aufforderung vorweisen müssen. Die Aufforderung kann gegebenenfalls zum Beispiel von der Polizei erfolgen, wenn sie zu Vorfällen gerufen wird. Sie kann auch vom Ordnungsamt im Zuge von Kontrollen erfolgen, oder von Freiern und Kunden selbst – dazu gleich mehr.

In seinem gewollten Sinne ist der Hurenpass ein Nachweis dafür, dass Sexarbeiterinnen eine gesundheitliche Beratung in Anspruch genommen haben, und nicht, wie oft fälschlicherweise oft angenommen, ein Gesundheitszeugnis im klassischen Sinne. Das Wording für das Dokument, das sich umgangssprachlich durchgesetzt hat, lässt aber vielleicht schon darauf schließen: Die Einführung des Hurenpasses war von Anfang an umstritten. Kritiker argumentieren, dass er stigmatisierend wirkt und die Rechte von Sexarbeiterinnen beeinträchtigt.

Ein kleiner Exkurs: Die Stigmatisierung ist allgemein ein tiefgreifendes Phänomen, das Individuen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale, Verhaltensweisen oder Identitäten abwertet, sie kann innerhalb kürzester Zeit zu sozialer Isolation und Diskriminierung führen. Stigmatisierung im Kontext der Sexarbeit wird oft so betrachtet, dass diese Arbeit als minderwertig oder unmoralisch angesehen wird, was wiederum die Position von Sexarbeiterinnen beeinträchtigen kann – rechtlich und emotional.

Es ist ein Dilemma: Einerseits geht es nicht ohne Sexarbeit (immerhin sprechen wir vom ältesten Gewerbe der Welt, das – realistisch betrachtet – niemals aussterben wird). Andererseits sehen die Dogmen unserer Gesellschaft vor, die “Exekutive” dieser Arbeit regelrecht zu stigmatisieren. Hier ist immer noch immense Aufklärungsarbeit gefordert. Verbände wie der Doña Carmen e.V. oder Madonna e.V. legen einen starken Fokus auf dieses Thema und sind ein kompetenter Ansprechpartner für Frauen, die Information, Beratung und Hilfe suchen.

Hinter den Kulissen: Was wirklich drinsteht und was nicht.

Um es einmal von der ganz praktischen Seite zu betrachten: Der Hurenpass ist ein Dokument, das vom Format her bequem in jedes Portemonnaie passt, ähnlich dem – veralteten – orange-farbenen Führerschein, gleich wie dieser ist der Pass im Flyer-Format mit zweifachem Falz gefaltet.

Angaben, die der Hurenpass enthält:

Auf dem Deckblatt steht “Bundesrepublik Deutschland” – Anmeldebescheinigung – Die Inhaberin / der Inhaber dieses Dokumentes hat eine Tätigkeit nach § 3 ProstSchG angemeldet.” Diese Passage wird auf englisch wiederholt.

Klappt man den Pass auf, findet man entweder einen Alias-Namen oder den Klarnamen vor, ein Foto und Daten sowie Stempel und Unterschrift der ausstellenden Behörde.

Auf der letzten Seite sind die Bundesländer vermerkt, die einen Hurenpass ausstellen.

Warum zwei Hurenpässe?

Es ist durchaus üblich, dass Sexarbeiterinnen zwei Pässe ausstellen lassen:

  1. Das Prostitutionsschutzgesetz verpflichtet Sexarbeiterinnen dazu, einen Pass mit Klarnamen zu besitzen. Diese Version dient im gelebten Alltag der eigenen Sicherheit, der Transparenz und für Amtsgänge. Meist wird diese Version gut verschlossen bei den persönlichen Unterlagen zuhause verwahrt.
  1. Zusätzlich – und das ist der eigentlich praxisrelevante Pass – kann eine Ausfertigung mit einem Alias-Namen bzw. mit einem Pseudonym erfolgen.

Der Grund für die Alias-Version des Hurenpasses leuchtet ein: Bei Kontrollen ist so der Identitätsschutz gewahrt. Kontrollierende Instanzen indes können über die auf dem Hurenpass vermerkte Nummer über die entsprechende Datenbank alle notwendigen Informationen erhalten – während der Kontrolle selbst ist Datenschutz (auch Dritten gegenüber) gewährleistet.

Auch kommt es vor, dass Freier oder Gäste nach dem Hurenpass fragen könnten – wenn auch eher in der Theorie als in der Praxis. Nichtsdestotrotz gibt es Kunden, die sich vergewissern möchten, dass die Dame ihrer Wahl freiwillig arbeitet und nicht in einem Zwangsarbeitsverhältnis steht. Möchte ein Freier, ein Kunde oder ein Gast den Pass sehen, wird selbstverständlich die Alias-Variante vorgelegt: Datenschutz und die Wahrung der Identität sind oberste Priorität.

Schutzschild oder Stigma?

Schutzschild oder Stigma; das ist die große Frage. Wer zehn verschiedene Personen zum Hurenpass befragt, wird zehn verschiedene Antworten bekommen. Über allem liegt aber sehr oft der Tenor: Der Hurenpass ist von Behörden geschaffen worden und ist womöglich nicht ganz umsonst, was den Schutz der Sexarbeiterinnen angeht – den Arbeitsalltag erleichtern tut er nicht.

Das beginnt beim Amtsgang zum Ausstellen des Passes. Welches Amt ist zuständig? Welche Gemeinde, welcher Kreis, welche Kommune? Einheitliche Regelungen gibt es nicht. Mögliche Ämter, die den Pass ausstellen, sind das Gesundheitsamt, das Ordnungsamt oder das Standesamt.

Dazu kommt:

  • In Baden-Württemberg zum Beispiel ist die Ausübung der Prostitution in Gemeinden mit einer Einwohnerzahl bis zu 35.000 verboten.
  • In Gemeinden bis zu 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern kann auf Antrag der Gemeinde die Prostitution für das ganze Gebiet oder für bestimmte Bereiche der Gemeinde durch das Regierungspräsidium untersagt werden (sogenannte Sperrbezirke).
  • In Gemeinden von mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern darf die Prostitution nach ständiger Rechtsprechung nicht von vornherein vollständig ausgeschlossen werden. (1)

Um den Pass zu bekommen, ist eine Schulung zu Gesundheitsfragen erforderlich, diese erfolgt beim zuständigen Amt. Themen wie Zwangsprostitution, Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaft, Körperhygiene, Umgang mit Drogen oder auch Infektionskrankheiten werden behandelt.

Ein erwähnenswerter Pluspunkt liegt vielleicht im folgenden Fakt, der mit dem Hurenpass verbunden ist: Wer ihn besitzt, kann regelmäßige, kostenlose Gesundheitschecks in Anspruch nehmen (2). Diese decken zum Beispiel die Untersuchung auf Schwangerschaft oder Geschlechtskrankheiten oder auf HIV-Infektionen ab.

Warum nun also wird der Hurenpass oft als Stigma betrachtet? Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist auf jeden Fall folgender: Frauen, die in der Branche arbeiten wollen, möchten sich vielleicht erst einmal an das Business herantasten. Mit der Verpflichtung, den Pass ausstellen zu lassen, bekommt dieses Herantasten sofort einen offiziellen Stempel.

Dieser Stempel wiederum ist einheitlich. Prostituierte und Dominas werden hier zum Beispiel “über einen Kamm geschert”, obwohl sich die Berufe grundsätzlich voneinander unterscheiden.

Der Hurenpass und seine Rolle in der modernen Sexarbeit

Ende 2017 gab es deutschlandweit knapp 7.000 angemeldete Sexarbeiterinnen in Deutschland. Ende 2022 sind es über 28.000 – diese Zahlen meldet das Statistische Bundesamt und beruft sich gleichzeitig auf die Tatsache, dass die Statistik nicht vollständig repräsentativ ist (3). Trotz der steigenden Anmeldungen ist die Lage in der Branche aber durchaus angespannt. Verbände wie Doña Carmen e.V. sprechen von einer Atmosphäre der Rechtsunsicherheit und verstärkte Diskriminierung von Sexarbeitenden. Eine Folge davon zeigt sich im Rückgang des Angebots sexueller Dienstleistungen und einer steigenden Illegalität in der Branche (4). Der Gedanke hinter dem Pass ist sinnvoll – wie so oft steht aber die praktische Umsetzung solcher Projekte auf einem ganz anderen Blatt.

ProstSchG für Betreiberinnen und Betreiber

Übrigens: Auch Betreiberinnen und Betreiber von Bordellen, Studios und anderen Einrichtungen der Branche sind vom Prostitutionsschutzgesetz betroffen. Das Gesetz legt in seinem vierten Abschnitt klare Pflichten für Betreiber von Prostitutionsgewerben fest. Dazu gehören Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz in den Einrichtungen, die sorgfältige Auswahl von im Betrieb tätigen Personen unter Berücksichtigung bestimmter Beschäftigungsverbote und spezifische Pflichten gegenüber den Prostituierten, insbesondere in Bezug auf Weisungen und Vorgaben. Zudem haben Betreiber die Aufgabe, relevante Aufzeichnungen zu führen und diese ordnungsgemäß aufzubewahren, um sicherzustellen, dass das Gewerbe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften betrieben wird. (5)

Zu den relevanten Aufzeichnungen zählen unter anderem:

  • Persönliche Angaben:
    • Vor- und Nachnamen der Prostituierten oder, bei Vorlage einer gültigen Aliasbescheinigung, den darin benannten Alias.
  • Angaben aus der Anmelde- oder Aliasbescheinigung:
    • Gültigkeitsdauer der Bescheinigung.
    • Die ausstellende Behörde.
    • Datum der Ausstellung und die ausstellende Behörde der Bescheinigung über die gesundheitliche Beratung.

Also unterliegen auch die Betriebe Kontrollen – für Prostituierte, die in solchen Betrieben arbeiten, ist der Hurenpass obligatorisch.

Fazit

Der Hurenpass spiegelt die komplexe Balance zwischen dem Schutz und der möglichen Stigmatisierung dieser Berufsgruppe wider. Einerseits ist er Mittel zum Schutz und zur Legitimation der Sexarbeit, andererseits birgt er das Risiko der Marginalisierung. Die Zukunft dieses Dokuments wird maßgeblich von der fortlaufenden gesellschaftlichen Diskussion und der Anpassungsfähigkeit der Gesetzgebung beeinflusst. In der Zukunft wird es entscheidend sein, wie Deutschland mit dieser Debatte umgeht. Es ist von größter Bedeutung, die Stimmen der Sexarbeiterinnen selbst in den Mittelpunkt zu stellen und Lösungen zu finden, die ihre Rechte, Sicherheit und Würde respektieren. Der Hurenpass könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Es bedarf aber sicher weiterer Überlegungen und Anpassungen, um sicherzustellen, dass er mehr nützt als schadet.

  1. ​​https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/soziales/gegen-gewalt-an-frauen/13333
  1. https://www.prostituiertenschutzgesetz.info/gesundheitsberatung-fuer-prostituierte/
  1. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Prostituiertenschutz/Tabellen/prostitutionstaetigkeit2022.html
  2. https://www.donacarmen.de/wp-content/uploads/1-JAHR-UMSETZUNG-ProstSchG.pdf
  3. https://www.gesetze-im-internet.de/prostschg/